Rechtsanwalt Schabbeck stellt dar, welche rechtlichen Aspekte er im Zusammenhang mit der neuen Telematik seitens der KV sieht und weist darauf hin, dass ggf. auch ein Blick über den Tellerrand notwendig ist. Dabei weist er insbesondere auf die beiden Themenbereiche Datenschutz und haftungsrechtliche Aspekte hin.
“Seit dem Eid des Hippokrates sei Datenschutz in Form der ärztlichen Schweigepflicht anerkanntermaßen ein wichtiger Aspekt der Tätigkeit. ”
Bezüglich des Datenschutzes stellte Schabbeck zunächst klar, dass Mediziner grundsätzlich die Erfinder des Datenschutzes seien. Seit dem Eid des Hippokrates sei Datenschutz in Form der ärztlichen Schweigepflicht anerkanntermaßen ein wichtiger Aspekt der Tätigkeit. Rechtliche Probleme entstünden im hier vorliegenden Kontext vor allem dann, wenn mehrere Ärzte zusammenarbeiten, die nicht in der gleichen Einrichtung tätig sind.
Dies, so Schabbeck, sei immer wieder ein Grund für rechtliche Auseinandersetzungen. Während einiges dafür spricht, dass durch das Verhalten der Patienten oder auch die Berufsordnung der Ärzte eine Entbindung von der Schweigepflicht dahingehend bestehen könnte, dass Ärzte anderen Ärzten gegenüber durchaus Erkenntnisse austauschen könnten, so steht dem jedenfalls der § 73 Abs. 1 b SGB V entgegen, wonach in der Kommunikation zwischen Hausärzten und anderen Leistungserbringern immer ausdrückliche Zustimmung notwendig sei. Wie und in welchem Rahmen diese einzuholen ist, war Inhalt der weiteren Ausführungen des Medizinrechtlers.
Konkret auf die neuen Elemente des Notfalldatenmanagements, der elektronischen Medikamentation und der Kommunikation im Gesundheitswesen (KIM) angewandt, würden die vorliegenden Grundsätze dazu führen, dass die Erfassung und Speicherung sowie der Zugriff auf die Daten der Zustimmung bedürfen. Allerdings kann im Notfalldatenmanagement immer auf die Daten zugegriffen werden, es sei denn, was der absolute Ausnahmefall ist, ein Patient hat dem ausdrücklich widersprochen.
Etwas problematischer sah Schabbeck die Möglichkeit der neuen Kommunikation im Gesundheitswesen (KIM). Nach seiner Auffassung verpflichtet die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) dazu, den sichersten Weg der Kommunikation zu verwenden. KIM sei insofern nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sicherer als verschlüsselte E-Mails, sodass der neuen Kommunikationsmöglichkeit der Vorrang gegeben werden dürfte. Eine Versendung auch verschlüsselter E-Mails könnte insofern nach Auffassung von Schabbeck künftig zu Schwierigkeiten mit dem Datenschutz führen.
Bezüglich der elektronischen Patientenakte und der Möglichkeit des Einblicks des Arztes in die Dokumentation des Patienten wies Schabbeck darauf hin, dass die DSVGO grundsätzlich zur Datensparsamkeit anhält. Dies führt dazu, dass die vollständige Übernahme von Patientenakten, die der Patient zur Verfügung stellt, in die eigene EDV nicht zulässig ist. Da aber insofern eine Übernahme von Patientendaten in die eigene EDV zumindest dann notwendig würde, wenn die Weiterbehandlung darauf basieren würde, wies Schabbeck auf ein Dilemma hin. Hier müssten die Daten gefiltert in die eigene Akte übernommen werden. Grund für die Filterungsvorschrift ist wiederum der Grundsatz der Datensparsamkeit. Grund für die Notwendigkeit der Speicherung in der eigenen EDV sind einerseits die Vorschriften zur Patientendokumentation und insbesondere die Problematik der Beweislastumkehr bei Behandlungsfehlern bei nicht ausreichender Dokumentation. Im Zweifel müsse der Arzt auch ohne die Möglichkeit der elektronischen Patientenakte nachweisen, dass die entsprechende Dokumentation vorlag.
Zum Themenbereich Haftung führte Schabbeck aus, dass eine Verletzung der fachlichen Standards schon einen Behandlungsfehler darstellen. Dabei würde der fachliche Standard durch den Bundesgerichtshof so definiert, dass es sich hierbei um Behandlungen handele, die von einem gewissenhaften und aufmerksamen Maß aus berufsfachlicher Sicht des eigenen Fachbereichs vorausgesetzt und erwartet werden können. Mit anderen Worten: was man vom ordentlich arbeitenden Kollegen erwartet, das ist der fachliche Standard.
“[...] was man vom ordentlich arbeitenden Kollegen erwartet, das ist der fachliche Standard.”
Im Zusammenhang mit der Telematik würde sich also die Frage stellen, ob die Anwendung der Telematik zum Standard der Medizin gehören würde. Wäre dies zu bejahen, so wäre eine Nichtanwendung der Telematik ein Verstoß gegen den ärztlichen Standard. Dies würde in der Folge dazu führen, dass der Patient ggf. auch über die Anwendung der Telematik zu informieren wäre, also hier eine Aufklärungsverpflichtung bestünde.
Schabbeck diskutierte in der Folge die Frage der Standardverletzung im Zusammenhang mit den Notfalldaten und dem Medikamentenplan und kam insofern zum Ergebnis, dass beim Facharzt jedenfalls dann, wenn sich ein spezifisches, aus seinem Behandlungsbereich resultierendes besonderes Risiko für Wechselwirkungen von Medikamenten oder für Besonderheiten bei der Notfallbehandlung ergibt, der Arzt aktiv auf den Patienten zugehen und den Patienten darüber aufklären müsse, dass die entsprechende Behandlungsmöglichkeit existiert.
Bei der elektronischen Patientenakte sah Schabbeck diese Verpflichtung der Ärzte deshalb weniger dringend, weil zumindest hier dem Gesetzgeber in diesem Zusammenhang vorschwebte, dass die elektronische Patientenakte öffentlich bekannt gemacht werden sollte und so davon auszugehen wäre, dass Patienten nicht aktiv über die Möglichkeit aufgeklärt werden müssen.
Zudem sei auch der medizinische Vorteil hier zwar grundsätzlich offensichtlich, allerdings nicht so spezifisch wie bei den Notfalldaten und dem Medikamentenplan. Daher sei die Aufklärung grundsätzlich nicht notwendig, allerdings sah Schabbeck auch hier eine Ausnahme. Für den Fall, dass der Patient eben von der Verwendung der elektronischen Patientenakte im besonderen Maße profitieren könnte, sei dies so zu sehen wie bei den Notfalldaten und dem Medikamentenplan. Hierzu zitierte Schabbeck das Beispiel, dass gesundheitlich belastende Untersuchungen dokumentiert und in die elektronische Patientenakte übernommen werden sollten, um doppelte Untersuchungen zu vermeiden.
Allgemein wies Schabbeck im Zusammenhang mit der Speicherung der Daten noch auf ein weiteres Problem hin. Seiner Erfahrung nach verhalte es sich häufig so, dass jeder niedergelassene Arzt über die Jahre seine eigene Art und Weise der Dokumentation entwickelt hat. Wenn die Akten nach außen gehen würden, würden sie typischerweise nochmals geprüft. Wenn dies durch die elektronische Verarbeitung nicht mehr auf den ersten Blick offensichtlich ist, steigt das Risiko, dass der Datenschutz quasi „übersehen wird“. Dank des Vertrauensgrundsatzes darf sich ein Arzt sich hierbei in der Regel darauf verlassen, dass ihm überlassene Daten zurecht überlassen wurden. Im Falle eines Verstoßes wäre also meist der Weitergebende verantwortlich und nicht der Empfangende. Das Haftungsrisiko läge dann auch im Fall einer Falschbehandlung unter bestimmten Umständen bei demjenigen, der diese durch seinen Datenschutzverstoß zu verantworten hat.
Zusammenfassend wies Schabbeck darauf hin, dass die weitere Öffnung des deutschen Gesundheitswesens für die Verwendung von Datenübertragung dringend notwendig sei. Schabbeck wies allerdings auch darauf hin, dass übereifrige Ziele kaum zu erreichenden Standards ggf. wie schon in der Vergangenheit dazu führen könnten, dass letztlich weniger passieren würde als technisch möglich sei. Auch die Einführung der selektiven Patientenakte bezeichnete der Fachmann als „ambitioniert“. Schabbeck unterstrich nochmals, dass seiner Ansicht nach sowohl die Datenschutzprobleme als auch die haftungsrechtlichen Schwierigkeiten aus rechtlicher Sicht beherrschbar sind.