Abmahnung – die Vorstufe zur Kündigung?
Ob Arbeitnehmer oder Arbeitgeber: irgendwann hat fast jeder das Thema Abmahnung das erste Mal auf der Tagesordnung. Entweder erhalten Sie selbst eine Abmahnung oder müssen eine aussprechen oder ein Angehöriger oder Kollege. Doch folgt auf eine Abmahnung immer gleich die Kündigung? Welches Verhalten kann überhaupt abgemahnt werden? Was muss eine Abmahnung enthalten, damit sie Konsequenzen nach sich zieht? Welche Folgen kann eine Abmahnung haben? Muss erst mehrfach abgemahnt werden, bevor eine Kündigung folgt? Auf diese und viele weitere Fragen finden Sie in diesem Artikel Antwort.
Abmahnung – was ist das?
Mit der Abmahnung weist der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter auf ein Fehlverhalten hin. Es handelt sich also zunächst einmal nur um den Hinweis des Arbeitgebers, dass der Mitarbeiter seine Arbeit nicht so gemacht hat, wie er sie hätte machen müssen, oder sich nicht so verhalten hat, wie er es hätte tun sollen.
Die möglichen Fehlverhalten, die ein Arbeitgeber abmahnen könnte, können nicht vollständig aufgelistet werden, da jedes Fehlverhalten abgemahnt werden könnte. Ein Arbeitgeber kann beispielsweise einfaches Fehlverhalten wie Zuspätkommen, zu lange Raucherpausen, eine zu lange Mittagspause, die Handynutzung am Arbeitsplatz, das Surfen auf Social Media während der Arbeitszeit oder auch ausschweifende Unterhaltungen mit den Kollegen abmahnen. Der Arbeitgeber kann auch – was in der Praxis selten vorkommt – schweres Fehlverhalten anstelle einer Kündigung abmahnen, wie beispielsweise Diebstähle von Büromaterial, Gewalt am Arbeitsplatz oder Beleidigungen von Kollegen oder Vorgesetzten.
Abmahnungen von solch schwerem Fehlverhalten wie Straftaten gegen den Arbeitgeber kommen im Arbeitsalltag deswegen eher selten vor, weil der Arbeitgeber bei schwerem Fehlverhalten die Wahl hat, ob er dieses Fehlverhalten „nur“ abmahnen oder eine Kündigung aussprechen möchte. Es ist nämlich nicht möglich, dasselbe Fehlverhalten, etwa denselben Diebstahl von Büromaterial, sowohl abzumahnen als auch eine Kündigung dafür auszusprechen. Es geht immer nur eins von beidem, entweder eine Abmahnung oder eine Kündigung, der Arbeitgeber muss sich entscheiden.
Die Abmahnung muss nicht in jedem Fall – anders als die fristlose Kündigung – unmittelbar nach dem Fehlverhalten des Mitarbeiters erfolgen. Eine feste, zeitliche Grenze, ab wann ein Fehlverhalten nicht mehr abgemahnt werden kann, existiert nicht. Es ist möglich, dass der Arbeitgeber ein länger zurückliegendes Fehlverhalten seines Mitarbeiters abmahnt, etwa wenn er erst Ermittlungen anstellen musste. Je schneller der Arbeitgeber die Abmahnung nach dem Fehlverhalten ausspricht, desto eher ist die Abmahnung gültig. Wenn sich der Arbeitgeber ein Jahr Zeit lässt, um ein Fehlverhalten seines Mitarbeiters abzumahnen, weiß der Mitarbeiter womöglich nicht mehr, um welches Verhalten es sich genau handeln soll. Die Abmahnung wäre dann überflüssig.
Was braucht eine Abmahnung, damit sie gültig ist?
Eine Vielzahl von Abmahnungen, die in Deutschland von Arbeitgebern ausgesprochen werden, sind so oberflächlich, dass sie von Arbeitsgerichten im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens aufgehoben werden. Es ist im Arbeitsalltag äußerst schwierig, eine Abmahnung so zu formulieren, dass sie von allen Arbeitsgerichten akzeptiert wird.
Die Abmahnung hat den Zweck, den Mitarbeiter darauf hinzuweisen, dass sein Verhalten am Arbeitsplatz nicht in Ordnung gewesen ist. Sie soll dem Mitarbeiter Gelegenheit geben, in der Zukunft ein solches Fehlverhalten zu vermeiden. Dies bedeutet zunächst, dass die Abmahnung das Fehlverhalten, welches abgemahnt werden soll, möglichst genau bezeichnet. Im Arbeitsalltag sind Abmahnungen oft so oberflächlich formuliert, dass der Mitarbeiter gar nicht weiß, was er wann gemacht haben soll. Typische Formulierungen sind etwa:
„Sie sind in letzter Zeit oft zu spät zur Arbeit gekommen. Deswegen mahne ich Sie hiermit ab.“
„Ich mahne Sie hiermit ab, weil Ihr Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen völlig unangemessen gewesen ist.“
„Weil Sie Ihre Krankmeldung zu spät eingereicht haben, mahne ich Sie hiermit ab.“
Solche Formulierungen von Abmahnungen finden sich im Arbeitsalltag leider häufig, doch kein einziges dieser Beispiele stellt eine gültige Abmahnung dar. Die Arbeitsgerichte erklären diese Abmahnungen für unwirksam, weil der Mitarbeiter durch eine solche Formulierung nicht wissen kann, was genau ihm nun vorgeworfen wird. Es ist also notwendig, dass das Fehlverhalten, das abgemahnt werden soll, so genau wie möglich beschrieben wird. Es reicht nicht aus, das Fehlverhalten nur zu benennen, sondern es muss auch angegeben werden, wann, wo und wie sich der Mitarbeiter falsch verhalten hat und wie sich der Mitarbeiter an diesem Tag korrekterweise hätte verhalten müssen.
Neben der genauen Beschreibung des Fehlverhaltens muss die Abmahnung auch den Hinweis enthalten, dass der Arbeitgeber in Zukunft ein solches Verhalten des Mitarbeiters nicht mehr hinnehmen wird. Der Arbeitgeber muss den Mitarbeiter in der Abmahnung ebenfalls darauf hinweisen, dass im Wiederholungsfalle mit arbeitsrechtlichen Folgen, die bis zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses reichen können, gerechnet werden muss. Fehlen solche Hinweise in der Abmahnung, so wäre sie nicht gültig.
Folgt auf eine Abmahnung immer die Kündigung?
Nein, eine Abmahnung muss nicht immer zu einer Kündigung führen. Es ist gut möglich, dass der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter tatsächlich mit der Abmahnung auf ein Fehlverhalten hinweisen möchte, damit dieses abgemahnte Fehlverhalten in Zukunft vermieden wird. Die Beziehung des Arbeitgebers zu den übrigen Mitarbeitern macht es oft erforderlich, dass das Fehlverhalten abgemahnt wird, da es ansonsten zu Unfrieden im Team kommen kann. Von Kollegen wird bei Ausbleiben einer „Sanktion“ oft gefragt, weshalb sich der falsch verhaltende Mitarbeiter ein solches Verhalten erlauben kann.
Allerdings haben Abmahnungen kein bestimmtes „Verfallsdatum“, sodass auch eine Kündigung ausgesprochen werden kann, wenn dasselbe Fehlverhalten etwa ein Jahr später nochmals auftritt. Erst nach Ablauf von mehreren Jahren, ohne dass sich der Mitarbeiter nochmals falsch verhalten hat, geben die Arbeitsgerichte dem Mitarbeiter ein Recht auf Beseitigung der Abmahnung aus dessen Personalakte. Starre zeitliche Grenzen gibt es auch hier nicht.
Umgekehrt ist es auch möglich, als Arbeitgeber eine Kündigung durch das Abmahnen von kleinstem Fehlverhalten, wie etwa kurzes Zuspätkommen, vorzubereiten. Wenn sich der Arbeitgeber von einem Mitarbeiter trennen möchte, ihn also früher oder später kündigen wird, so wird auch das kleinste Fehlverhalten abgemahnt, um schließlich eine Kündigung aussprechen zu können.
Mehr zur Frage, ob einer Kündigung stets drei Abmahnungen vorausgehen müssen, erfahren Sie im nächsten Artikel.
Mythos oder Wahrheit: Drei Abmahnungen, dann erst die Kündigung?
Im Arbeitsalltag trifft man immer wieder auf die Aussage, dass erst dreimal abgemahnt werden muss, bevor eine Kündigung wegen ein und desselben Fehlverhaltens überhaupt erfolgen kann. Diese Aussage kommt sowohl von Arbeitgebern wie auch von Angestellten. Dies ist so jedoch nicht richtig.
Im Regelfall gilt, dass ein Fehlverhalten eines Mitarbeiters wenigstens einmal vor der Kündigung abgemahnt worden sein muss, damit die Kündigung wirksam ist. Die Arbeitsgerichte begründen die Notwendigkeit einer Abmahnung vor der Kündigung damit, dass dem Mitarbeiter wenigstens einmal vor der Kündigung die Chance gegeben werden muss, sein Verhalten für die Zukunft zu bessern. Es reicht also regelmäßig bereits die erste Abmahnung aus, um das Arbeitsverhältnis zu kündigen!
Bei kleineren Vorfällen wie leichtem Zuspätkommen müssen vor der Kündigung regelmäßig mehrere Abmahnungen ausgesprochen werden, wohingegen bei schwerem Fehlverhalten vorher überhaupt keine Abmahnung erfolgt sein muss. Es kommt also auf das Fehlverhalten an, ob eine oder mehrere Abmahnungen vor der Kündigung erforderlich sind – eine allgemeingültige Aussage zur Anzahl der erforderlichen Abmahnungen lässt sich nicht treffen. Die Entscheidung, ob ein Fehlverhalten vor der Kündigung erst abgemahnt werden muss oder nicht, trifft das Arbeitsgericht. Da die Abmahnung aber vor der Kündigung erfolgt sein muss, damit die Kündigung wirksam ist, ist es ratsam, noch vor der Abmahnung einen Anwalt zu beauftragen.
Übrigens: Auch der Mitarbeiter kann seinen Arbeitgeber abmahnen, wenn dieser seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag nicht erfüllt. Ein klassisches Beispiel hierfür wäre etwa, dass der Arbeitgeber den Lohn nicht pünktlich zahlt.
Rechte im Zusammenhang mit Abmahnungen
Ein Arbeitnehmer hat nach einer Abmahnung grundsätzlich das Recht, eine Gegenvorstellung abzugeben, die zu seiner Personalakte genommen wird. Hierbei handelt es sich um eine Schilderung des Fehlverhaltens aus seiner Sicht, womit er die Vorwürfe richtigstellen oder entkräften kann. Der Arbeitgeber muss eine solche Gegendarstellung zur Personalakte des Mitarbeiters nehmen. Durch eine solche Gegendarstellung wird die Abmahnung allerdings nicht ungültig.
Ein Arbeitnehmer kann gegen eine Abmahnung auch Klage beim Arbeitsgericht erheben. Das Arbeitsgericht wird dann prüfen, ob die Abmahnung die geschilderten notwendigen Bestandteile enthält und ob es sich tatsächlich um ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers handelt. Gewinnt der Arbeitnehmer im gerichtlichen Verfahren, so ist die Abmahnung aus dessen Personalakte zu entfernen. Auch eine spätere Kündigung könnte nicht mehr auf die Abmahnung gestützt werden.
Allerdings ist beim gerichtlichen Vorgehen gegen Abmahnungen zu beachten, dass der Arbeitgeber falls die Abmahnung die notwendigen Bestandteile nicht enthält, die Abmahnung zurücknehmen und eine vollständig neue Abmahnung aussprechen kann. Das Arbeitsverhältnis ist bei einer Klage gegen eine Abmahnung regelmäßig schwer belastet. Sollte eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses – aus welchen Gründen auch immer – geplant sein, so kann sowohl das Abmahnen wie auch das gerichtliche Vorgehen gegen eine Abmahnung eine gute Möglichkeit sein, den Weg zum Beenden des Arbeitsverhältnisses zu bereiten.
Dies ist jedoch nicht die einzige Möglichkeit, die Richtigkeit einer Abmahnung gerichtlich prüfen zu lassen. Kommt es zu einer Kündigung wegen desselben Fehlverhaltens, wofür der Mitarbeiter bereits abgemahnt worden ist, so wird das Arbeitsgericht im Falle einer Kündigungsschutzklage ebenfalls prüfen, ob vor der Kündigung eine Abmahnung erforderlich war und ob die Abmahnung alle notwendigen Bestandteile enthält. Was eine Kündigungsschutzklage ist, erfahren Sie hier.
Wie Sie sehen, ist es äußerst schwierig, ein Fehlverhalten richtig abzumahnen, weshalb in jedem Fall anwaltlicher Rat eingeholt werden sollte. Gerne stehen die VSZ Rechtsanwälte Ihnen zur Verfügung.